Anspruch und Wirklichkeit Im Actioncam-Markt sind die Felder noch immer nicht klar abgesteckt. Neben speziellen Actioncam-Marken buhlen auch die etablierten Kamera-Firmen sowie Hersteller von Smartphones und Navigationsgeräten um den Konsumenten. Sogar hierzulande völlig unbekannte No-Names aus China drängen auf den Markt. Das Ergebnis ist ein sehr unübersichtliches Angebot. Hinzu kommt: Bei kaum einer anderen Produktgruppe liegen Anspruch (bzw. Werbeversprechen) und Wirklichkeit mitunter so weit auseinander wie bei den Actioncams. Im ersten Teil dieses Einkaufsführers erklärt die digitalEyes.de-Redaktion was von manchen Werbeaussagen zu halten ist.

  • Bild Der "Klassiker": Mit seiner Hero-Produktfamilie (hier die Hero3+ mit WiFi-Fernbedienung) war der amerikanische Hersteller GoPro Vorreiter und hat das Design vieler anderer Actioncams geprägt. [Foto: GoPro]

    Der "Klassiker": Mit seiner Hero-Produktfamilie (hier die Hero3+ mit WiFi-Fernbedienung) war der amerikanische Hersteller GoPro Vorreiter und hat das Design vieler anderer Actioncams geprägt. [Foto: GoPro]

GoPro ist Marktführer bei den Actioncams, und das nicht zu Unrecht. Das amerikanische Unternehmen war bereits im Jahr 2006 (mit der GoPro Digital Hero) als erstes mit einer Actioncam auf dem Markt und hat den Trend überhaupt erst losgetreten. Bis heute hat das Design der GoPro-Kamears auch das vieler Nachahmer geprägt. Zudem war die Qualität der jeweiligen GoPro-Spitzenmodelle zu ihrer Zeit immer aktueller Stand der Technik und die Geräte (von den allerersten Modellen vor 2010 abgesehen) weitgehend ausgereift und zweckmäßig einsetzbar für viele Anwendungen. Dafür muss der Kunde aber auch viel Geld hinlegen: keine anderen Action-Cams, selbst die großer Unterhaltungselektronik-Marken, kosten so viel wie das jeweils aktuelle GoPro-Spitzenmodell. Dabei ist der Lieferumfang bei GoPro noch nicht einmal üppig und man muss oft noch weitere, nicht zu unterschätzende Geldsummen für Halterungen oder Kabeladapter reservieren, um die Kamera so einsetzen zu können, wie man möchte. Durch die weite Verbreitung gibt es andererseits aber für GoPro (oder Hersteller, die das GoPro-Halterungssystem kopieren oder entsprechende Adapter anbieten) auch diverses Zubehör von Fremdherstellern – teilweise zu Niedrigstpreisen. Das verfügbare Zubehör reicht von simplen Plastikgelenken bis zu sogenannten Gimbal-Heads, die, unter einen Multikopter montiert, GoPro-Kameras im Flug stabilisieren und so für durchaus professionelle Flug-Videoaufnahmen sorgen.

Aber die Konkurrenz schläft nicht bzw. nicht mehr. Insbesondere Sony holt in den letzten Monaten unermüdlich auf, gerade was die Leistungsfähigkeit und die Ausstattungsmerkmale angeht. So beherrscht Sony Techniken wie NFC (zur einfachen Kopplung mit dem Smartphone), hat eine pfiffige Armband-Fernbedienung mit Live-Bild als Zubehör. Zudem war Sony Vorreiter bei der Multi-Kamera-Steuerung: Per Armband-Fernbedienung, Smartphone oder Camcorder als Controller können bis zu fünf Actioncams gleichzeitig bedient werden. Hinzu kommt ein hochwertiges, timecode-fähiges Videoformat und die einzige wirklich gut funktionierende Bildstabilisierung auf dem Markt.

  • Bild Auch die in Deutschland weniger bekannte Firma Drift Innovation ist lange in der Actioncam-Branche mit dabei (seit 2010). Hier die beiden 2015er Modelle Stealth 2 und Ghost-S. [Foto: Drift Innovation]

    Auch die in Deutschland weniger bekannte Firma Drift Innovation ist lange in der Actioncam-Branche mit dabei (seit 2010). Hier die beiden 2015er Modelle Stealth 2 und Ghost-S. [Foto: Drift Innovation]

  • Bild Sony ist mittlerweile der zweite Hersteller mit großem Produkt-Lineup, das von preisgünstigen Einsteigermodellen bis zum 4K-Video-Flaggschiff reicht. Hier im Bild die beiden hochwertigsten Modelle HDR-AS200V (links) mit FDR-X1000V (rechts). [Foto: MediaNord]

    Sony ist mittlerweile der zweite Hersteller mit großem Produkt-Lineup, das von preisgünstigen Einsteigermodellen bis zum 4K-Video-Flaggschiff reicht. Hier im Bild die beiden hochwertigsten Modelle HDR-AS200V (links) mit FDR-X1000V (rechts). [Foto: MediaNord]

Auch andere Hersteller wissen zunehmend mit ordentlicher Qualität und tollen Ideen zu überzeugen. So bietet TomTom einen blitzschnell herausnehmbaren Akku, der gleich den Speicherkarten-Steckplatz enthält und einen richtigen USB-Stecker zum Aufladen des Akkus und Auslesen der Videofilme (sogar mit USB-3.0-Geschwindigkeit). Oder Garmin, mit deren Actioncams du drahtlos zahlreiche Sensoren und andere Geräte (wie z. B. Bluetooth-Headsets), sogar zum Auslesen von Fahrzeugleistungsdaten, verbinden kannst. Zudem tauchen immer mehr Kameras auf, die auch ohne zusätzliches Unterwassergehäuse wasserdicht sind (auch von GoPro, dann aber unverhältnismäßig teuer).

Für GoPro spricht nach wie vor die ausgereiftere Bedienung, die (zumindest im Vergleich zur Konkurrenz) ausgereiften und gut bedienbaren Smartphone-Apps für praktisch alle Plattformen (inklusive Windows Phone), eine Wake-Up-Funktion per WiFi (die Kamera "schläft", bis sie Remote wieder aufgeweckt wird) und dass GoPro – im Gegensatz zu den meisten anderen Herstellern – nur wenig verspricht, was die Geräte nicht halten. Ausstattungsmerkmale, die nicht gut funktionieren, baut GoPro üblicherweise gar nicht erst ein. Ausnahmen, wie der stark angepriesene (aber total hässliche) Super-View-Modus, bestätigen diese Regel. Allerdings sind die Geräte von GoPro im Vergleich recht teuer, insbesondere auch angesichts des mageren Lieferumfangs (selbst ein Stativgewinde bedeutet Aufpreis).

Ausstattungsmerkmale genau hinterfragen

Aber was sind das eigentlich so für Sachen, die da versprochen, aber nicht gehalten werden? Wir konstruieren einmal ein fiktives Beispiel (das leider so fiktiv doch gar nicht ist): Ein Hersteller könnte zum Beispiel damit werben, dass seine Actioncam 4K/UHD-Video kann, eine tolle Bildstabilisation für wackelfreie Aufnahmen an Bord hat, dazu umschaltbare Bildwinkel (ultraweit, weit, normal) und dass die Kamera auch hochauflösende Fotos und schnelle Serienaufnahmen sowie Intervallaufnahmen macht. So weit, so gut. Nun kommt Otto Normalverbraucher womöglich auf die Idee, diesem Werbeversprechen zu glauben, ohne die zahllosen kleinen Fußnoten zu lesen oder sich gar vorab die Bedienungsanleitung aus dem Internet herunterzuladen und zu schauen, was wirklich geht. Er kauft also womöglich die Kamera in der Annahme, sie könne 4K-Videos mit Bildstabilisation und unterschiedlich großen Bildwinkeln, denn er möchte hochwertige, wackelfreie Videoaufnahmen machen. Oder er möchte womöglich hochauflösende Fotos von schnellen Bewegungen einfangen oder, unter seinem Quadrokopter gehängt, alle 10 Sekunden ein hochauflösendes Foto schießen. Leider, leider wird das aber nichts. Denn die klein gedruckten Sternchen-Fußnoten oder spätestens das Handbuch (das dem Gerät natürlich nicht beiliegt, sondern aus dem Internet heruntergeladen werden muss) verrät, was alles in welcher Kombination nicht geht.

  • Bild Die Befestigungsmöglichkeiten für Actioncams sind nahezu Endlos. Neben Surfboards, Helmen, Fahrrädern, Musikinstrumenten eignen sich auch Hunde prima als Träger für eine Action Kamera. Solche Halterungen gibt es von Sony, GoPro und Garmin. [Foto: GoPro]

    Die Befestigungsmöglichkeiten für Actioncams sind nahezu Endlos. Neben Surfboards, Helmen, Fahrrädern, Musikinstrumenten eignen sich auch Hunde prima als Träger für eine Action Kamera. Solche Halterungen gibt es von Sony, GoPro und Garmin. [Foto: GoPro]

So schließen sich bei Actioncams derzeit z. B. hochauflösendes Video (4K/UHD) und elektronische Bildstabilisation schon mal grundsätzlich aus. Ebenso die unterschiedlichen Bildwinkel und 4K-Video. Ursache bei beidem ist, dass für 4K-Video die gesamte Sensorfläche benötigt wird (jedenfalls bei Actioncams, normale 4K-Video-Camcorder können da durchaus mehr!) und deshalb keine zusätzlichen Pixel mehr für die Stabilisation zur Verfügung stehen. Davon abgesehen, dass die Prozessoren in den kleinen Gehäusen damit überfordert wären, ein 4K-Videobild zu stabilisieren.

Aus demselben Grund kannst du auch nicht einfach den Bildausschnitt auf dem Sensor verkleinern (nichts anderes passiert ja bei der Reduzierung des Bildwinkels). Dann kommt da kein 4K mehr raus. Gänzlich unverständlich wird es aber bei den Fotos. Sony beispielsweise schafft es zwar durchaus, eine wirklich leistungsfähige 4K-Actioncam zu bauen, die ja prinzip-bedingt schon mal einen Sensor mit wenigstens 8,3 Megapixeln hat. Wer nun aber meint, mit einer solchen Kamera (die bei Video immerhin kontinuierlich dreißig Mal pro Sekunde ein 8,3-Megapixel-Bild aufzeichnet) auch 8,3-Megapixel-Fotos als Serienaufnahmen oder Intervallaufnahmen machen zu können, stellt verblüfft fest, dass dies nicht geht. 2,1-Megapixel-Serienfotos landen stattdessen auf der Speicherkarte. Die braucht kein Mensch! Besser also man dreht ein 4K-Video und speichert sich daraus die gewünschten 8,3-Megapixel-Frames als Einzelbild (in der Nachbearbeitung natürlich, nicht in der Kamera). Selbst ein früheres FullHD-Gerät von Sony, das mit wirklich ordentlichen 13,5-Megapixel-Fotos begeistern konnte, machte bei Serien- und Intervall-Aufnahmen lediglich 2,1-Megapixel kleine Fotos.

Fortsetzung auf Seite 2