Ein bisschen Actioncam Der Polaroid Cube ist, simpel formuliert, das neue Point-And-Click-Adventure der Kompaktkameras: ohne integrierten oder anschließbaren Sucher wird die Wahl des Bildausschnitts zum Ratespiel. Zahlreiche weitere, ungewöhnliche Ideen sind in dem hübschen kleinen Würfel eingebaut. Stellt sich die Frage, ob Polaroids interessantes Konzept einer Lifestyle-/Action-Kamera aufgeht oder das Produkt unbrauchbar macht.

  • Bild Der Polaroid Cube ist eine aufs Minimum reduzierte Actioncam. Die Bedienung der spritzwassergeschützten Kameara erfolgt über einen einzigen Knopf (auf der Oberseite). Die Leuchtdiode oben vorne gibt die nötigsten Rückmeldungen. [Foto: MediaNord]

    Der Polaroid Cube ist eine aufs Minimum reduzierte Actioncam. Die Bedienung der spritzwassergeschützten Kameara erfolgt über einen einzigen Knopf (auf der Oberseite). Die Leuchtdiode oben vorne gibt die nötigsten Rückmeldungen. [Foto: MediaNord]

  • Bild Auf der Unterseite des Polaroid Cube ist der Magnet. Durch den flachen Rand und die gewölbte Innenfläche soll er sowohl an flachen als auch gewölbten Flächen halten. [Foto: MediaNord]

    Auf der Unterseite des Polaroid Cube ist der Magnet. Durch den flachen Rand und die gewölbte Innenfläche soll er sowohl an flachen als auch gewölbten Flächen halten. [Foto: MediaNord]

  • Bild Unter der spritzwasserdichten Abdeckung an der Rückseite des Polaroid Cube befinden sich der Speicherkarten-Steckplatz, der Schalter für die Videoauflösung und die USB-Schnittstelle. [Foto: MediaNord]

    Unter der spritzwasserdichten Abdeckung an der Rückseite des Polaroid Cube befinden sich der Speicherkarten-Steckplatz, der Schalter für die Videoauflösung und die USB-Schnittstelle. [Foto: MediaNord]

Die durchsichtige, würfelförmige Originalverpackung des Polaroid Cube ist ebenso niedlich und platzsparend wie die Kamera selbst, die du mit 3,5 cm Kantenlänge faktisch überall verstauen kannst. Damit ist der Cube rein haptisch ein großartiger Begleiter für den Alltag. Mit einem relativ starken Magneten auf der Unterseite kannst du die Lifestyle-Kamera auf (möglichst planen) Eisen- und Stahl-Oberflächen anbringen. Wenn sie überkopf hängt, wird das Video intern autmatisch entsprechend gedreht. Die Bedienung ist ebenso einfach, wie Transport und Befestigung – mit einem einzigen großen Kopf auf der Oberseite steuerst du alle verfügbaren Funktionen ganz intuitiv. Ein einzelner Knopfdruck löst mit 1,6 Sekunden Verzögerung ein Foto aus, per Doppelklick startest du eine Videoaufnahme, die du mit einem weiteren Knopfdruck wieder beendest. Langes Drücken bedeutet Einschalten bzw. Ausschalten. Alle Aktionen werden durch unterschiedliche Pieptöne und eine LED unmissverständlich gekennzeichnet.

Die Zeitverzögerung ist mal praktisch, mal nervig. Einerseits kann sie dazu dienen, dass die womöglich wackelig montierte Kamera nach dem Drücken des Auslösers wieder "beruhigt", bevor das Foto geschossen wird (mit der Aussicht auf schärfere Fotos). Bei schnellen Schnappschüssen stört die Verzögerung aber natürlich sehr, weil du niemals genau den richtigen Moment erwischt. Und als Selbstauslöser für Gruppenfotos reichen die 1,6 Sekunden natürlich niemals aus, so schnell kannst du gar nicht ins Bild sprinten. Mit den 90 Minuten Akkulaufzeit kommst du ganz gut durch den Tag, solltest den Cube jedoch nicht durchgängig laufen lassen.

An der Rückseite findest du unter einer Schraubabdeckung einen Schalter, mit dem du die Videoauflösung zwischen 1080p und 720p wechseln kannst, eine MicroUSB-Schnittstelle und den MicroSD-Kartenslot (für Karten bis maximal 32 GByte). Vier weitere Einstellungen kannst du treffen, wenn du den Cube über das mitgelieferte MicroUSB-Kabel mit dem PC verbindest. Auf dem dann erscheinenden Laufwerk findest du neben den Verzeichnissen mit den Fotos und Videos eine Applikation namens PolaroidCube.exe, bzw. für Apple-Anwender eine PolaroidCube.app. Damit lässt sich Lichtfrequenz (50 Hz oder 60 Hz, hat Einfluss auf die Blendengeschwindigkeit), Zeitstempel (an/aus, schreibt Uhrzeit und Datum hart in Videoaufnahmen), Aufnahmezyklus (an/aus, überschreibt alte Aufnahmen um kontinuierliches Filmen zu ermöglichen) und die Kamerasummer-Lautstärke auswählen. Mehr Optionen gibt es nicht. Kein Abschalten der Foto-Auslöseverzögerung, kein Zoom/Digitalzoom, keine ISO-Einstellung, kein Weißabgleich, keine Foto-Bildgröße – die Liste lässt sich fortsetzen. Die wenigen Einstellungen werden von der PolaroidCube-Anwendung in eine kleine Textdatei geschrieben und von dort beim Einschalten der Kamera ausgelesen. Wenn du willst kann du also die Textdatei auch direkt modifizieren. Die vier Einstellmöglichkeiten sind dort ausreichend kommentiert.

  • Bild Der actioncam-typische Lens Flare (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

    Der actioncam-typische Lens Flare (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

  • Bild Der 124-Grad-Weitwinkel reicht, um interessante Perspektiven zu wählen (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

    Der 124-Grad-Weitwinkel reicht, um interessante Perspektiven zu wählen (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

  • Bild Bei höherem ISO (hier erst 349) setzt merkbar das Rauschen ein (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

    Bei höherem ISO (hier erst 349) setzt merkbar das Rauschen ein (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

  • Bild Es ist kaum machbar, die Kamera exakt horizontal zu halten. Solch schiefe Bilder müssen nachbearbeitet werden (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

    Es ist kaum machbar, die Kamera exakt horizontal zu halten. Solch schiefe Bilder müssen nachbearbeitet werden (Bild beschnitten, das Seitenverhältnis ist im Original 16:9). [Foto: MediaNord]

Am meisten vermissen wir einen Sucher oder eine andere Art, eine Vorschau von der Kamera zu bekommen. Der Weitwinkel mit 124 Grad bekommt im Normalfall zwar alles ins Bild, wenn du ihn ungefähr auf dein Motiv richtest, eine gewisse Portion Glück ist allerdings immer noch gefragt, um gute Resultate ohne Vorschau zu erzielen. Da der Polaroid Cube kein WiFi hat, lässt sich auch kein Smartphone als Sucher verwenden. Die Videoaufnahmen sind bei guten Licht recht brauchbar, etwa auf dem Niveau einer preisgünstigen Actioncam der Preisklasse 100 bis 150 Euro. Die Videos sind recht stark geschärft, Kontrastkanten haben einen entsprechenden Heiligenschein. Details, wie z. B. Struktur in einer Mauer oder das Gras einer Wiese werden weggebügelt zu einer glatten Fläche. Entsprechend gering ist die Datenrate des Videos: Gerade mal 7,8 bis 8,5 MBit/s, je nach Video-Clip: das ist einfach zu wenig für ein qualitativ gutes FullHD-Video. Bei wenig Licht nimmt die Bildqualtät weiter ab; dann kommt intensives Farbrauschen hinzu – in dieser Preisklasse aber normal. Der Ton wird in Mono aufgezeichnet mit mäßiger Klangqualität (wenig Höhen und praktisch ohne Bässe). 

Bei Fotos wirbt Polaroid mit "Professional 6MP Still Photos". Davon ist die Foto-Bildqualität allerdings denkbar weit entfernt. 6 Megapixel haben die 16:9-Format-Bilddateien zwar, aber die sehen doch arg interpoliert aus. Lässt sich in den 2-Megapixel-Videos die fünfte Textzeile in der Augen-Testtafel gerade noch entziffern, wird das mit den 6-Megapixel-Bilddateien auch nicht besser. Zudem weisen schräge Kanten und Rundungen die typischen Treppenstufen auf, an denen man mittels einfacher Algorithmen hochgerechnete Bilder erkennen kann. Nahezu jedes Smartphone macht deutlich bessere Fotos. Dass die Bildinformation bei wenig Licht und von der Kamera bis ISO 1600 hochgeschraubter Empfindlichkeit im Farbrauschen nahezu völlig untergeht, spielt dabei auch keine Rolle mehr.

  • Bild Polaroid Cube mit Helmbefestigung (Halterung nicht in der Grundversion enthalten). [Foto: Polaroid]

    Polaroid Cube mit Helmbefestigung (Halterung nicht in der Grundversion enthalten). [Foto: Polaroid]

  • Bild Für den Poraroid Cube, der an seiner Unterseite kein Stativgewinde, sondern einen Magneten hat, gibt es zahlreiche Halterungen als optionales Zubehör. Alle sehr schön gestaltet, aber auch nicht ganz billig. [Foto: Polaroid]

    Für den Poraroid Cube, der an seiner Unterseite kein Stativgewinde, sondern einen Magneten hat, gibt es zahlreiche Halterungen als optionales Zubehör. Alle sehr schön gestaltet, aber auch nicht ganz billig. [Foto: Polaroid]

Für den Einsatz als Actioncam musst du das gewünschte Befestigungszubehör gesondert ordern. Da die Kamera kein Standard-Stativgewinde besitzt, sondern nur den Magnetfuß, bist du auf das Original-Polaroid-Zubehör angewiesen. Zur Wahl stehen diverse Halterungen für Helme, Stative oder Gurtbänder und eine Fahradlenker-Halterung sowie ein Unterwassergehäuse mit und ohne Saugnapf-Befestigung (ohne das Gehäuse ist der Cube spritzwassergeschützt, sollte jedoch nicht baden gehen). Wenn du dir mehrere Befestigungen für den Cube kaufen willst, kannst da dafür leicht noch einmal den gleichen Betrag ausgeben, den die nackte Polaroid Cube-Kamera kostet. Für den Gesamtpreis bekommst du dann von anderen Anbietern locker eine normale Actioncam mit weitaus mehr Funktionen, mit eingebautem Monitor und/oder WiFi und einem kompletten Paket an Befestigungsmaterial.

Fazit

Schick, handlich und winzig klein ist der Polaroid Cube zweifellos ein echter Hingucker. Die Bedienung mit nur einer einzigen Taste ist erstaunlich alltagstauglich. Die Magnethalterung ist nicht so praktisch, wie man zunächst vermutet. So oft findet sich eine horizontale magnetische Fläche, die als Kamerahalterung dienen könnte, nun doch nicht. Und für alles andere brauchst du optionales Befestigungszubehör original von Polaroid. Ohne WiFi bleiben ihr außerdem Einsatzgebiete wie als Webcam oder Überwachungskamera verwehrt. Die Video-Bildqualität ist zumindest bei ausreichendem Licht ganz brauchbar, der Ton eher nicht. Die Foto-Qualität (theoretisch 6 Megapixel) kommt nicht über die Video-Qualität (2 Megapixel) hinaus. Angesichts minimalem Lieferumfangs, Ausstattung und Bildqualität finden wir den Kaufpreis von 99 Euro deutlich zu hoch angesetzt.

Vorteile

  • klein und handlich
  • einfach zu bedienen
  • brauchbare Videoaufnahmen

Nachteile

  • unzureichende Fotoqualität
  • minimaler Lieferumfang
  • fragwürdiges Preis-Leistungsverhältnis