360-Grad-Kamera Vom Ricoh-Spin-off Vecnos Inc. kommt in diesen Tagen eine neuartige, extrem kleine Panoramakamera auf den Markt, die laut Hersteller das Selfie revolutionieren soll. Statt einem Bild von vorne erhält man ein Bild, das gleichzeitig auch die Umgebung enthält. Die zugehörige Software macht aus dem Foto kleine animierte Videos, die sich leicht in sozialen Medien teilen lassen. Auch wenn wir in der digitalEyes.de-Redaktion eher nicht zur Zielgruppe dieser Kamera gehören, haben diese gern ausprobiert.

Hinweis: Dieser Test basiert auf einem Vorserienmodell und frühen, allerdings schon offiziellen Versionen der Apps für Android und iOS. Wir beabsichtigen den Test nach der Markteinführung noch mit einem Seriengerät zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren.

Verglichen mit anderen vollsphärischen 360-Grad-Kameras ist die Vecnos IQUI in vielerlei Hinsicht anders. Statt der im Consumerbereich üblichen zwei Kameramodule (oft als "Objektive" bezeichnet) besitzt die IQUI gleich vier davon. Dabei ist die IQUI nicht größer, sondern viel kleiner als alle bekannten 360-Grad-Kameras. Der Handgriff ist dünn wie ein Stift. Nur im Bereich der Optiken weitet sich das Gehäuse, das übrigens aus champagnerfarbenem Aluminium besteht und äußerst edel aussieht und sich auch so anfühlt.

Dezent eingelassen gibt es nur wenige Bedienelemente: Ein/Aus-Schalter, Auslösetaste und den Umschalter zwischen Video und Foto-Modus. Visuelle Rückmeldung gibt die Kamera über lediglich drei LEDs: Eine im Ein/Aus-Schalter und zwei im Modus-Taster. Damit zeigt die Kamera an, ob sie an oder aus ist oder fürs Bluetooth-Pairing bereit ist (blinkende LED im Ein/Aus-Taster) und welcher Aufnahmemodus aktiv ist, Foto oder Video. Und so einfach, wie das aussieht, so einfach ist das theoretisch auch, denn die Kamera kann zunächst einfach mal Fotos aufnehmen oder eben Videos und einzustellen gibt es dabei nichts. Auch einen Sucher oder Monitor braucht eine 360-Grad-Kamera ja im Grunde nicht, weil sowieso immer die ganze Szene aufgenommen wird.

  • Bild Auf diesem Foto sieht man die Anordnung der Objektive der Vecnos- IQUI sehr gut. Oben sitzt ein Objektiv und drei weitere sind im 120-Grad-Winkel um das Gehäuse verteilt. [Foto: Vecnos]

    Auf diesem Foto sieht man die Anordnung der Objektive der Vecnos- IQUI sehr gut. Oben sitzt ein Objektiv und drei weitere sind im 120-Grad-Winkel um das Gehäuse verteilt. [Foto: Vecnos]

So gesehen erinnert die Vecnos IQUI etwas an die frühen Ricoh-Theta-Modelle, die auch äußerst spartanisch mit Bedienelementen und Anzeigen ausgestattet waren und im Grunde auch sehr wenig konnten. Die Ur-Theta konnte noch nicht einmal Videos aufnehmen. Die Firma Vecnos ist übrigens ein Spin-off, also eine Ausgliederung der Firma Ricoh, und ehemalige Ricoh Theta Entwickler haben dort ihre neue Heimat gefunden.

Wer nun aber andere Panorama-Kameras kennt, einschließlich der Ricoh-Theta-Modelle, der wird an der Vecnos IQUI ein unscheinbares, aber ungemein wichtiges Ausstattungsmerkmal vermissen: ein Stativgewinde. Selbst die allerersten Ricoh-Theta-Modelle hatten sowas und jede noch so billige China-360-Grad-Kamera hat ebenfalls selbstverständlich ein Stativgewinde. Ein solches ergibt bei einer vollsphärischen Panoramakamera extrem viel Sinn, denn nicht bei jeder Aufnahme ist es cool, wenn da der eigene Arm mit drauf ist und die Aufnahmeperspektive entscheidend durch die eigene Armlänge bestimmt wird. Gerade die unkomplizierte Ausrichtung der Kamera lädt dazu ein, diese irgendwo anzuhängen, anzuklemmen oder gerne auch an einem Selfie-Stick zu montieren.

So peinlich Selfie-Sticks mittlerweile bei Smartphones sein mögen, so viel Sinn ergeben sie bei 360-Grad-Kameras. Und auch der gemeine Immobilienmakler hat schon in der allerersten Ricoh Theta (die "Ur-360-Grad-Kamera" überhaupt) ein wertvolles Werkzeug gefunden. Einfach die Kamera auf einem Stativ in der Raummitte positioniert, kann man den Raum verlassen und dann per Smartphone-App ferngesteuert aus dem Nachbarraum die Aufnahme auslösen. Schnell hat man eine beindruckente Panorama-Innenaufnahme von der Immobilie im Kasten, ohne dass irgendwer störendes mit auf dem Bild ist. Mittlerweile geht das bei den Ricoh Thetas übrigens auch ohne den Raum zu verlassen. Siehe unseren Test der Ricoh Theta Z1.

  • Bild Die Vecnos IQUI 360-Grad-Kamera ist sehr schlank und wirkt mit ihrem Aluminiumgehäuse sehr edel. [Foto: Vecnos]

    Die Vecnos IQUI 360-Grad-Kamera ist sehr schlank und wirkt mit ihrem Aluminiumgehäuse sehr edel. [Foto: Vecnos]

Mit der Vecnos IQUI geht das nicht. Obwohl diese ja genauso per Smartphone App fernbedient werden kann. Ohne Live-Bild zwar, aber dazu später mehr. Statt eines Stativgewindes, das durchaus noch in den kleinen Durchmesser des schlanken Gehäuse gepasst hätte (auch wenn es dann womöglich 5 mm länger geworden wäre), sitzen an der Unterseite des Gehäuses die goldplattierten Ladekontakte. Sehr schick kreisrund und dekorativ wie überhaupt das ganze Gehäuse ja sehr schick ist. Mit dem Problem nur, dass ohne weitere Hilfsmittel kein Strom rankommt. Das Hilfsmittel liegt der Kamera in Form eines beigefarbenen Ladeadapters mit USB-C-Buchse bei. Farblich passend dazu ist auch ein USB-C-auf-USB-A-Kabel dabei. Damit lässt sich die Vecnos IQUI dann aufladen. Aber auch nur damit. Wehe der Adapter geht verloren…

Der Adapter schnappt übrigens elegant magnetisch an die Kamera und durch die vielfache Kontaktierung und die runden Kontakt an der Kamera ist es völlig egal, in welcher Position das leicht dreieckige Gehäuse in den Ladeadapter gesteckt wird. Ganz nett eigentlich. Was aber hat die Designer geritten, nicht wenigstens auf der Unterseite des Ladeadapters ein Stativgewinde einzulassen? Kostenpunkt wäre genau Null gewesen. Die USB-Buchse hätte sicherlich auch an der Seite statt unten rausgeführt werden können. Und ob der Adapter nun 5 Millimeter länger geworden wäre, spielt ja keine Rolle. Eine seitlich rausgeführte Buchse hätte es sogar ermöglicht, die Kamera mit Strom zu versorgen während der Adapter mit dem ebenfalls beigefügten kleinen Silikon-Standfuß zum Not-Stativ verwandelt wird. Womöglich hätten sich mit einer Dauerstromversorgung am Stativ auch ganz neue Anwendungsfälle eröffnet. Als temporäre Überwachungs- oder 360-Grad-Konferenzkamera womöglich. Das alles ist aber ganz offensichtlich nicht gewünscht.

  • Bild Zum Schutz beim Transport liegt der Vecnos IQUI eine einfache Schutzhülle bei. Eine Transportbox mit Lademöglichkeit soll später als optionales Zubehör auf den Markt kommen. [Foto: MediaNord]

    Zum Schutz beim Transport liegt der Vecnos IQUI eine einfache Schutzhülle bei. Eine Transportbox mit Lademöglichkeit soll später als optionales Zubehör auf den Markt kommen. [Foto: MediaNord]

  • Bild Die Vecnos IQUI hat statt einer Ladebuchse auf der Unterseite vergoldete Ladekontakte. Zum Aufladen braucht man deshalb unbedingt den mitgelieferten Ladeadapter, den man tunlichst nicht verlegen oder verlieren sollte. [Foto: MediaNord]

    Die Vecnos IQUI hat statt einer Ladebuchse auf der Unterseite vergoldete Ladekontakte. Zum Aufladen braucht man deshalb unbedingt den mitgelieferten Ladeadapter, den man tunlichst nicht verlegen oder verlieren sollte. [Foto: MediaNord]

  • Bild Auf der Unterseite des Ladeadapters befindet sich die USB-C-Buchse für das mit der Vecnos IQUI mitgelieferte Ladekabel. [Foto: MediaNord]

    Auf der Unterseite des Ladeadapters befindet sich die USB-C-Buchse für das mit der Vecnos IQUI mitgelieferte Ladekabel. [Foto: MediaNord]

  • Bild Ladeadapter plus Silikon-Fuß ergeben zusammen einen einfachen Tischständer für die Vecnos IQUI. [Foto: MediaNord]

    Ladeadapter plus Silikon-Fuß ergeben zusammen einen einfachen Tischständer für die Vecnos IQUI. [Foto: MediaNord]

Die Zielgruppe ist dann auch klar umrissen: weiblich und in sozialen Medien aktiv. Die Mädels sollen nun mit der Vecnos IQUI coolere Selfies machen. Das geht so: Kamera in die Hand. Auslösen (eigentlich nur im Foto-Modus, dazu später mehr). Dann die IQUI-App im Smartphone öffnen. Die Kamera verbindet sich (das dauert manchmal etwas). Sobald die Kamera verbunden ist, geht man auf das Kamera-Symbol unten rechts in der App. Damit ist man im Fernbedienungs-Modus (den man aber ohne Basteleien nur mit dem Silikon-Standfuß nutzen kann). Gleichzeitig beginnt die Übertragung der auf der Kamera mittlerweile gespeicherten Fotos und Videos. Bei Fotos geht das, abhängig vom Smartphone, mehr oder weniger schnell oder langsam. Mit einem älteren (aber noch mit aktuellem iOS-Betriebssystem unterstütztem) iPhone 6 Plus dauerte selbst die Übertragung von Fotos eine kleine Ewigkeit. Die Übertragung von Videos, egal wie kurz, war praktisch nicht machbar, denn die App muss währenddessen aktiv bleiben und das Smartphone darf nicht in den Standby fahren. Sonst war alles bis dahin umsonst und man fängt mit der Übertragung nochmal von vorne an. Also ist man während der nächsten halben Stunde irgendwie damit beschäftigt die App auf dem Smartphone zu "touchen", damit das Gerät nicht schlafen geht und die Übertragung nicht abbricht.

Mit einem brandaktuellen Google Pixel 4a ging das schon deutlich schneller. Fotos waren innerhalb von wenigen Sekunden übertragen. Videos gingen zwar ebenfalls deutlich schneller als mit dem älteren iPhone, im "grünen Bereich" war das aber lange noch nicht. Selbst ein 10-sekündiges Video mit 10 MB Datenvolumen braucht mehrere Minuten zum Übertragen. Was für eine antiquierte WLAN-Technik mag da in der Vecnos IQUI eingebaut sein? Falls überhaupt. Die langsame Datenübertragung legt eigentlich den Verdacht nahe, dass die Übertragung ausschließlich über Bluetooth läuft – dabei verlangt die App ausdrücklich auch nach der Aktivierung von Wi-Fi. Die Fernbedienung der Kamera erfolgt übrigens vollständig ohne Live-Bild, auch sehr ungewöhnlich für eine Panorama-Kamera. Aber das passt irgendwie dazu, dass in der IQUI, wenn überhaupt, nur ein Spar-Wi-Fi eingebaut ist, das ja schon kaum die Datenübertragung von Videos hinbekommt und dann natürlich auch kein Live-Bild.

  • Bild Da die Fotos und Videos nicht in der IQUI-Kamera verbleiben, sondern bei nächster Verbindung per IQUISPIN-App automatisch aufs Smartphone übertragen und danach in der Kamera gelöscht werden, ist der Speicher der Kamera eigentlich üppig bemessen. [Foto: MediaNord]

    Da die Fotos und Videos nicht in der IQUI-Kamera verbleiben, sondern bei nächster Verbindung per IQUISPIN-App automatisch aufs Smartphone übertragen und danach in der Kamera gelöscht werden, ist der Speicher der Kamera eigentlich üppig bemessen. [Foto: MediaNord]

  • Bild Die Smartphone-App IQUISPIN überträgt automatisch die Fotos und Videos aus der IQUI-Kamera in das Smartphone. Anders kommt man an die Bilder auch nicht ran. Direkt auf die in der Kamera gespeicherten Bilder zugreifen kann man nicht. [Foto: MediaNord]

    Die Smartphone-App IQUISPIN überträgt automatisch die Fotos und Videos aus der IQUI-Kamera in das Smartphone. Anders kommt man an die Bilder auch nicht ran. Direkt auf die in der Kamera gespeicherten Bilder zugreifen kann man nicht. [Foto: MediaNord]

  • Bild Die Smartphone-App IQUISPIN hält verschiedene vorgefertigte Templates bereit, mit denen ein 360-Grad-Foto (eigentlich egal von welcher Kamera) automatisch in ein mit Animationen "veredeltes" Video verwandelt wird. [Foto: MediaNord]

    Die Smartphone-App IQUISPIN hält verschiedene vorgefertigte Templates bereit, mit denen ein 360-Grad-Foto (eigentlich egal von welcher Kamera) automatisch in ein mit Animationen "veredeltes" Video verwandelt wird. [Foto: MediaNord]

Gehen wir mal davon aus, dass die Mädels die Bilder irgendwann erfolgreich übertragen haben. In geselliger Runde ist das sicherlich machbar, auch wenn man das eigene Smartphone währenddessen ja für nichts anderes benutzen kann (ich stelle mir gerade vor, wie die Besitzerin der IQUI gleich nach dem Einschalten aus Versehen ein kurzes Videos gemacht hat und danach die Fotos; das Video muss jetzt vor den zwei oder drei aufgenommenen Fotos zunächst übertragen werden, anders geht das nicht; rechnen wir also mal mit ca. 5 bis 10 Minuten, die das Smartphone mit der offenen IQUI-App am Leben gehalten werden muss, ohne dass man sonst damit etwas machen könnte; aber wehe es kommt gerade ein Anruf rein!, dann war's das mit der Übertragung).

Nach der erfolgreichen Übertragung passiert erstmal gar nichts. Die IQUI App bleibt im Fernbedienungsmodus in freudiger Erwartung auf weitere zu übertragende Bilder. Unten rechts erscheint allerdings eine Miniatur des letzten Bildes. Tippt man darauf, kann man dieses anschauen, so wie man es vielleicht schon von 360-Grand-Aufnahmen kennt. Mit Wischgesten bewegt man sich durchs Bild. Bei Fotos geht das. Bei Videos geht das (noch) nicht. Vecnos verweist für Videos derzeit noch auf andere Apps, beispielsweise von Ricoh für die Theta. Dass das Aufnehmen von Bewegtbildern nicht so der Schwerpunkt ist bei der Vecnos IQUI merkt man also schon hier (dazu später mehr).

Fortsetzung auf Seite 2