Letzten Monat hat sich der europäische Drohnenhersteller Parrot nach längerer Zeit mit einem interessanten neuen Quadrokopter zurückgemeldet. Bekannt wurde der Hersteller aus Frankreich mit seiner Bebop-Drohne, die wir vor ziemlich genau drei Jahren (im Sommer 2015) auch getestet hatten. Danach folgte Ende 2015 noch eine überarbeitete Version. Dann schien es, als würde sich der Hersteller auf andere Dinge, wie ein Drohnenflugzeug namens Disco oder die preisgünstige FPV-Renndrohne Mambo, konzentrieren. Der Bebop wurde seinerzeit zwar als Kameradrohne vermarktet – allerdings ließ die Foto- und Videoqualität doch arg zu wünschen übrig, auch nach damaligen Maßstäben und vor allem in Relation zum Preis. Äußerst interessant war das Konzept des Bebop dennoch, denn das Gerät kam ganz ohne mechanische Kamera-Stabilisation aus. Die Kamera war (bzw. ist, den Bebop 2 gibt es ja weiterhin) fest im Gehäuse verbaut und ein Ultraweitwinkel-Typ mit rein elektronischer Stabilisation. Bei diesem Konzept wird immer nur ein relativ kleiner Bereich des Bildsensors effektiv genutzt. Der Rest wird dynamisch weggeschnitten, um trotz unruhigem Drohnenflug ein schön stabilisiertes Video zu bekommen. Das funktionierte erstaunlich gut, war aber gleichzeitig für die wenig prickelnde Bildqualität verantwortlich. Und hochauflösende 4K-Videos, die heute gefordert sind (gerade bei Luftaufnahmen), sind mit der Technik schon mal gar nicht möglich.
So hat Parrot sich für den neuen Anafi von dem Prinzip der rein elektronischen Stabilisierung abgewendet und nun auch eine kardanisch aufgehängte Kamera entwickelt. Der Hersteller spricht dabei von einer 3-Achs-Stabilisierung (wie sie heute eigentlich Stand der Technik ist), aber das stimmt eigentlich nicht ganz. Mit Elektromotoren stabilisiert werden nur die zwei wichtigsten Achsen: horizontal und vertikal, in beiden Richtungen kann die Kamera auch manuell ausgerichtet werden. Die Drehbewegung und zusätzlich auch noch die anderen beiden schon elektromechanisch stabilisierten Richtungen werden elektronisch stabilisiert, wodurch extrem stabile Fotos und Videos mit einer Winkelschwingung von nur 0,004° resultieren sollen. Die Kamera des Parrot Anafi besitzt einen 1/2,4-Zoll-Sensor mit 21 Megapixeln Auflösung und ein Ultraweitwinkel-Objektiv mit 110° Bildwinkel. Daraus lässt sich ein entzerrtes Bild mit immerhin 16 Megapixeln im 4:3-Format gewinnen und für 4K-Videoaufnahmen im Seitenverhältnis 16:9 oder 17:9 reicht das auch. Das 17:9-Cinema-4K-Format wird mit 24 Bildern/s aufgezeichnet, beim 16:9-UHD-4K-Format kannst du zwischen 24, 25 oder 30 fps wählen (FullHD geht bis 60 fps). Die Datenrate soll bis zu 100 MBit/s betragen.
Da der Sensor mehr Pixel besitzt als für die Videoausgabe benötigt wird, kannst du (mehr oder weniger verlustfrei) elektronisch ein wenig zoomen: Immerhin 2,8-fach bei FullHD, bei 4K sind aber nur noch 1,4-facher Zoom drin (also nahezu kein Zoom). Als wirkliche Besonderheit kannst du die Kamera nicht nur nach unten, sondern auch oben schwenken. Sie ist nämlich nicht unter, sondern vor dem Kopter montiert und die Propeller stehen weit genug auseinander, sodass die Kamera dort nach oben hindurchfilmen kann. Du könntest also beispielsweise eine Brücke unterfliegen und dabei von unten filmen. Oder ein hohes Gebäude aus der Nähe von unten nach oben abfliegen mit nach oben geneigter Kamera, also so wie der Betrachter das Gebäude normalerweise sieht. Das ermöglicht sicherlich ein paar nette Perspektiven, die mit anderen Koptern normalerweise nicht möglich sind.
Hinsichtlich der eingebauten Sensorik ist der Parrot Anafi recht spärlich ausgestattet. Er besitzt neben dem üblichen Satellitenpositionierungssystem mit GPS und GLONASS noch einen Bodendistanz-Sensor und eine Bodenkamera, um in Bodennähe stabil zu fliegen und sicher zu landen, das konnte schon der Bebop sehr gut. Kollisionsverhütungs-Sensoren fehlen dem Anafi allerdings komplett.
Der Parrot Anafi ist extrem leicht gebaut: gerade einmal 320 Gramm bringt er auf die Waage, lässt sich platzsparend zusammenfalten und nimmt dann nur noch so viel Platz ein, wie eine Flasche Wasser. Ein passendes halbweiches Case wird mitgeliefert. Das geringe Gewicht wirkt sich offenbar sehr positiv auf die Flugdauer aus, die mit maximal 25 Minuten in diese Klasse einzigartig ist. Der Anafi soll zudem die leiseste Drohne seiner Klasse sein. Dafür ist natürlich auch ein leistungsfähiger LiPo-Akku verantwortlich, der elektronisch umfassend überwacht wird und die Drohne rechtzeitig zum Startpunkt zurückschickt. Hinsichtlich der Ladetechnik ist ebenfalls erfreuliches zu vermelden: Der Akku des Anafi wird ganz fortschrittlich per USB-C geladen, d. h. mit jedem Handy- oder Laptop-Ladegerät oder sogar von einer Powerbank. Je leistungsfähiger die Stromquelle, desto schneller lädt er, und die Ladeelektronik ist vollständig im Akku integriert. Konsequent befindet sich auch gar kein Ladegerät im Lieferumfang, sondern nur ein USB-Kabel. Mit dabei ist dafür gleich eine 16-GByte-Micro-SD-Karte.
Mit dem Anafi wird auch die Skycontroller 3 genannte Fernsteuerung mitgeliefert, die im Verhältnis zu der kleinen Drohne recht groß wirkt und mit 386 Gramm Gewicht leider auch das Gesamtgewicht des Kopters inkl. Tasche auf mehr als das Doppelte anhebt. Die Fernbedienung besitzt eine Halterung für Smartphones (mit Android oder iOS) bis 6 Zoll Displaygröße. Auf letztere muss die neue App FreeFlight 6 von Parrot installiert werden. Display und Fernbedienung zusammen ergeben dann eine funktionsfähige Einheit. Das Smartphone dient dabei der Anzeige von Live-Bild und Flugdaten sowie der Konfiguration. Alle wesentlichen Bedienelemente befinden sich direkt am Skycontroller, auch die zur Steuerung der Kamera.
Der Preis von 699 Euro erscheint für die gebotene Leistung und Ausstattung sehr attraktiv. Fotos können in Adobe DNG (Raw) aufgenommen werden, Videos in HDR gedreht werden – Parrot scheint es hinsichtlich der Kamera wirklich ernst zu meinen. Wir finden das Konzept des konsequenten Leichtbaus, der schlanken, klappbaren Drohne und des per USB-C aufladbaren Akkus jedenfalls sehr zeitgemäß und gut und werden versuchen mit einem ausführlichen Testbericht auf die Parrot Anafi Drohne zurückzukommen.