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Wer mehr beeinflussen oder die bestmögliche Qualität erzielen will, greift am Besten zur Desktop-App. Die heißt in der neuesten Version Insta360 Studio 2019 und ist die gleiche App, die Insta360-Kunden auch mit den anderen Panoramakameras des Herstellers verwenden. Der Zeitaufwand bei der Bearbeitung steigt dabei gegenüber der Smartphone-Variante allerdings um das Vielfache. Immerhin müssen die Fotos und Videos erstmal von der Kamera bzw. der Speicherkarte in den Rechner (per Kartenlesegerät oder per USB-C-Kabel). Danach sieht sich der Anwender erstmal etwas ratlos, denn auf der Speicherkarte sind keine normalen Fotos oder Videos, wie bei anderen Panorama-Kameras, sondern Dateien mit den Endungen INSP (für INSta360 Picture) und INSV (für INSta360 Video), daneben liegen dann ggf. noch die DNG-Dateien mit den Rohdaten-Fotos.

Das ist allerdings nicht weiter schlimm, denn ein Doppelklick öffnet die jeweilige Datei in der Insta360 Studio Anwendung. Diese bietet mittlerweile auch einen Vorschau-Bereich und zeigt dort Miniaturen an. Weitaus lästiger als die exotische Dateiendung sind allerdings die Dateinamen. Statt wie üblich, einfach laufende Nummern zu vergeben, tragen die Fotos und Videos bei Insta360-Kameras Datum und Zeit im Dateinamen, was ja an sich in Ordnung ist. Aber warum zum Henker stellt der Hersteller den Fotos noch ein IMG_ (z. B. IMG_20200210_093801_00_031.insp) und den Videos ein VID_ (z. B. VID_20200209_144217_00_030.insv) voran. Dies führt dazu, dass die Fotos und Videos getrennt voneinander im Explorer stehen.

  • Bild Insta360 Studio 2019 ist eine einfach zu bedienende Anwendung für Windows und MacOS in englischer Sprache. Beim Stitching von Videos berechnet es auch die Flowstate-Stabilisierung. Der Anwender kann diverse Parameter einstellen und Videos trimmen. [Foto: MediaNord]

    Insta360 Studio 2019 ist eine einfach zu bedienende Anwendung für Windows und MacOS in englischer Sprache. Beim Stitching von Videos berechnet es auch die Flowstate-Stabilisierung. Der Anwender kann diverse Parameter einstellen und Videos trimmen. [Foto: MediaNord]

Anders als viele andere aktuellen Panoramakameras speichert die Insta360 One R sowohl Fotos als auch Videos nicht fix und fertig gestitcht auf der Speicherkarte ab, sondern "Side by Side", d. h. die kreisrunden Aufnahmen, so wie die beiden Kameras jeweils die Welt sehen, nebeneinander, bzw. tatsächlich eigentlich untereinander in der Datei ab. Mit in der Datei sind offenbar noch die Gyroskop- bzw. Ausrichtungs- und Bildstabilisierungs-Informationen (so erklärt sich die eigenwillige eigene Dateiendung). Das hat den Nachteil, dass die Fotos und Videos in jedem Fall extern weiterverarbeitet werden müssen (im Smartphone oder in der Desktop-App). Es hat aber andererseits den Vorteil, dass die Kamera selbst sich um diese rechenintensiven Aufgaben nicht kümmern muss, sondern ausschließlich um die bestmögliche Speicherung der Fotos und Videos. Das zeit- und rechenintensive Zusammenfügen der beiden Teilbilder machen dann die nachgeschalteten Apps und können dabei ggf. mehr Qualität rausholen, als es bei einer Echtzeit-Verarbeitung in der Kamera selbst möglich wäre. Der Akkulaufzeit der Kamera dürfte dies zusätzlich zugutekommen. An sich kein schlechter Weg, finden wir.

In der Desktop-App lassen sich die Fotos und Videos in den verschiedenen Ansichten betrachten (normaler Ausschnitt, Tiny Planet usw.), in einigen wenigen Parametern optimieren und vor allem ausrichten und Videos lassen sich auch ganz einfach trimmen. Der anschließende Export geht bei Fotos sehr schnell. Bei Videos war er bei uns hingegen extrem zeitaufwändig. Das hängt offenbar damit zusammen, dass der bei uns genutzte Notebook-PC weit unterhalb der Spezifikationen von Insta360 für die Desktop-Applikation lag. Ihm fehlt nämlich die verlangte Grafikkarte Nvidia GeForce GTX 1060 (6 GB) oder besser, die dann vermutlich das Rendern der Videos drastisch verkürzt. Beim Export können 5,7K-Videos mit einer Bitrate von bis zu 200 MBit/s geschrieben werden. Man kann diesen sehr hohen Wert aber auch sinnvoll stufenlos reduzieren, z. B. auf 100 MBit/s. Videos aus der Software sind sofort "YouTube"-fähig, können also direkt in YouTube hochgeladen werden und werden von YouTube als 360-Grad-Videos erkannt.

Beispielfoto

Bildqualität der Fotos und Videos

Und was leistet die Insta360 One R mit dem Dual-Lens 360 Modul hinsichtlich der Foto- und Videoqualität? Fangen wir mit den Fotos an. Die sind nicht schlecht. Mindestens guter Klassenstandard, kann man sagen. Eher etwas besser. Knapp 18,5 Megapixel sind die Fotos groß (6080 x 3040 Pixel). So eine Datei hat dann rund 7 MB als INSP-Datei und nach dem Stitchen rund 6 bis 8 MB, je nach Komprimierbarkeit. Das geht in Ordnung, ist ein brauchbarer Kompromiss zwischen Dateigröße und Qualität. Sichtbare Kompressionsartefakte gibt es auch kaum. Gut gelungen finden wir auch die Abstimmung der Scharfzeichnung, nicht zu stark und nicht zu wenig. Im Vergleich zu vielen anderen Kameras kann man die Scharfzeichnung als eher zurückhaltend bezeichnen. Die Rauschunterdrückung würden wir uns manchmal etwas dezenter wünschen zugunsten von ein paar mehr Details im Foto. Aber auch das ist noch in einem Bereich, wo wir sagen müssen: Den meisten Anwendern wird das wahrscheinlich genauso gefallen.

Erstaunlicherweise überhaupt kein Thema bei der Insta360 One R mit dem Dual-Lens 360 Moduls sind Farbsäume. Bei ähnlichen Panoramakameras treten normalerweise im Randbereich der beiden Linsen an Kontrastkanten mehr oder weniger starke lilafarbene Farbsäume auf (die Zweige in den Bäumen an "unserer Wassermühle" sind dafür ein super Testmotiv). Bei der Insta360 One R sind diese in den Rohdateien durchaus auch vorhanden, werden bei den JPEGs aber perfekt herausgerechnet. Gute Arbeit!

JPEG oder DNG oder besser gesagt nur INSP oder INSP+DNG? Die Insta360 One R kann DNG-Dateien zusätzlich im hauseigenen INSP-Format speichern. Lohnt sich das? Die Dateien sind gut 36 MB groß, also unkomprimiert, im Prinzip eine gute Voraussetzung für noch bessere Fotos. Beim DNG werden beide Teilbilder übereinander gespeichert. Diese könnte man sofort in Insta360 Studio 2019 stitchen und wieder als (jetzt äquirektanguläres) DNG speichern. Eine nennenswerte Bildoptimierung findet dabei nicht statt, aber danach ist das Bild nicht mehr "roh". Ein sinnvollerer Weg wäre es, das ungestitchte DNG zunächst in einem Rohdatenkonverter zu verarbeiten, z. B. zu entrauschen. Das ist aber mühsame Arbeit und die spezifischen Unzulänglichkeiten wie Moiré und Farbsäume bleiben dabei enthalten. Derzeit können wir uns keinen Workflow vorstellen, wo das gut handelbar ist. Zum Glück macht die JPEG-Engine der Kamera und Desktop-Software einen guten Job; siehe oben. Deshalb würden wir aktuell sagen: Der Aufwand der DNG-Verarbeitung lohnt bei der Insta360 One R eigentlich nicht, denn die JPEGs sind in Ordnung.

Bei Videos speichert die Insta360 One R mit dem Panorama-Kameramodul maximal 5,7K30-Videos. Das ist eine Ansage und zählt aktuell mit zur Spitze, was man für bezahlbares Geld bekommen kann (ganz wenige Panoramakameras speichern 8K-Videos, die meisten belassen es bei 4K). Dabei muss man wie immer sagen: Da die Videos in der Regel ausschnittsweise betrachtet werden, kann ein Panoramavideo eigentlich nie zu viel Auflösung haben. 5,7K, das sind 5760 x 2880 Pixel, also satte 16,6 Megapixel. Zumindest theoretisch. Denn bei dem aufgezeichneten Video ist ja alles um die beiden kreisrunden Kamerabilder herum schwarz, also nicht bildwirksam. Schon deshalb macht es Sinn, von dem bildwirksamen Teil so viel wie möglich aufzuzeichnen. Die ungestichten Videos speichert die Insta360 One R mit dem Panorama-Kameramodul mit qualitativ günstiger H.265-Kompression mit einer Bitrate von ca. 45 MBit/s. Das hört sich nach wenig an, ist für das hocheffiziente H.265-Verfahren aber sehr viel. Die Videos müssen dann noch extern, entweder im Smartphone oder in der Desktop-Software, in ein äquirektanguläres Video umgewandelt werden. Dabei kann man diverse Parameter einstellen, z. B. das automatische Graderichten des Videos.

Die Qualität, die dabei herauskommt ist beachtlich. Im Grunde tatsächlich nicht viel schlechter als die Fotos, was die nackten Zahlen (18,5 versus 16,6 Megapixel) ja eigentlich auch vermuten lassen, was aber in der Praxis häufig nicht so ist, weil Videos oft mit starker Kompression zu kämpfen haben und die Elektronik natürlich einem Video mit 30 Bildern pro Sekunde normalerweise nicht den gleichen Aufwand pro Bild zukommen lassen kann wie einem einzelnen Foto. Nicht so bei der Insta360 One R. Hier stimmt von der hohen Eingangsauflösung über die gute H.265-Kompression bis hin zur aufwändigen (allerdings auch zeitaufwändigen) Verarbeitung in der Desktop-Software offenbar alles und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wer das Viewer-Fenster nicht zu weit aufzieht, bekommt ein scharfes und detailreiches Video zu sehen. Die Abstimmung ist ebenfalls wie bei den Fotos: Scharfzeichnungsartefakte, Kompressionsartefakte oder Farbsäume gibt es praktisch nicht. Allenfalls die Rauschunterdrückung würden wir uns dezenter wünschen und dafür noch ein paar mehr Details.

5,7K30 oder 4K30 oder 4K50? Welche Videoauflösung sollte man wählen? Diese Frage können wir ganz eindeutig beantworten: 5,7K30 und keine andere. Niemals! Der Qualitätsabfall einer 4K-Aufzeichnung (egal ob mit 50 oder 30 fps) zu der maximalen Auflösung von 5,7K mit 30 fps ist so dramatisch, dass wir wirklich niemandem empfehlen können jemals weniger als die maximale Auflösung einzustellen. Dabei hat man – das ist ein typisches Phänomen von Panorama-Videos – selbst bei diese Auflösung nicht den Eindruck, dass alles schön scharf ist, wenn man einen zu kleinen Ausschnitt betrachtet. Und wir müssen sogar feststellen, dass wir von 5,7K-Videos, die wir zu YouTube hochladen, praktisch gar keinen Unterschied feststellen, wenn wir bei diesen in der Widergabe in YouTube von 5,7K auf 4K runterschalten. Die Auflösung aber schon bei der Aufzeichnung wegzuwerfen ist eine ganz schlechte Idee! Da geht die Qualität total in den Keller. Wer Platz sparen möchte oder meint, dass sein Wiedergabegerät mit 5,7K-Videos nicht gut klarkommt, kann das gestitchte Video in 4K-Auflösung exportieren (das macht ein iPhone beispielsweise sowieso). Das sieht nicht wesentlich schlechter aus als ein in 5,7K exportiertes Video, aber um Welten besser, als wenn man schon bei der Aufnahme die Auflösung auf 4K heruntersetzt.

Den Ton behandelt Insta360 ziemlich stiefmütterlich. Andere Hersteller (Ricoh, GoPro) bieten bei ihren Panoramakameras vier oder gar sechs Mikrofone, um damit gleich einen Stereo-Raumklang aufzunehmen. Taggt man solche Videos richtig und lädt diese zu YouTube hoch, bekommt der Betrachter dann je nach Blickrichtung im 360-Grad-Video den passenden Klang. Ob das wichtig ist oder nicht, mag jeder selbst für sich entscheiden. Die Insta360 One R bietet solche Features nicht, allein schon deshalb, weil das Kameramodul gar keine Mikrofone eingebaut hat, sondern nur die Core-Basiseinheit. Dafür lassen sich über einen Adapter externe Mikrofone oder Apple Airpods über Bluetooth verbinden, wovon vermutlich eher normale Actioncam-Anwendungen profitieren als 360-Grad-Panorama-Aufnahmen.

Beispielvideo Dual Lens 360 Mod

Fazit

Mit der Insta360 One R bietet der Hersteller nicht nur ein sehr interessantes modulares Kamerasystem, sondern mit dem hier getesteten Dual-Lens 360 Kameramodul auch eine richtig gute vollsphärische Panoramakamera, die Ihr Geld definitiv Wert ist. Die Qualität der Fotos kann man noch als üblichen Klassenstandard bezeichnen. Dass die 5,7K-Videos aber fast an die Qualität der Fotos herankommen, verdient dickes Lob. Hinsichtlich der Bedienung und der Smartphone-App gibt es noch Verbesserungspotential und Kinderkrankheiten, aber da ist nichts dabei, was sich nicht durch Updates beheben ließe.

Auf die beiden anderen Actioncam-Kameramodule (4K Weitwinkel-Modul und 1-Zoll-Weitwinkelmodul) kommen wir in Kürze in separaten Tests zurück.

Vorteile

  • pfiffiges modulares Kamerakonzept
  • gute Foto- und sehr gute Video-Bildqulität (5,7K)
  • 5 Meter wasserdicht und robust
  • leistungsfähige Stabilisierung (allerdings extern berechnet)

Nachteile

  • keine Bluetooth-Verbindung zum Smartphone (GPS, Fernsteuerung)
  • konzeptbedingt sehr kleiner Touchscreen-Monitor