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Leider hatten wir während der Testphase kaum Gelegenheit, die Kamera bei ansprechenden Wetterbedingungen auszuprobieren. Die Wintertage in Hamburg waren überwiegend düster und regnerisch. Einen kurzen Moment mit Sonnenschein habe ich genutzt das inhaltlich nicht sehr attraktive Beispielfoto und Beispielvideo der belebten Kreuzung für diesen Test aufzunehmen. Bei einem früheren Versuch bei sonnigem Himmel hatte die Kamera einen Streich gespielt: Die Aufnahmen, die mit der maximal möglichen Auflösung in einem kurzen sonnigen Moment entstanden waren, wurden nämlich um zwei Blendenstufen unterbelichtet. Zuerst ärgerte ich mich darüber, bei dieser kurzen Gelegenheit offenbar nicht die richtige Einstellung gewählt zu haben. Stellte dann aber fest, dass ich mir keinen Vorwurf machen muss: Offensichtlich sorgte ein Bug dafür, dass die Kamera nach jedem Neustart diese Belichtungskorrektur aktivierte. Immerhin gibt's im Menü eine Option, die Kamera komplett zurückzusetzen – nachdem ich die ausprobiert hatte, trat der geschilderte Fehler dann nicht mehr auf. Auf Rückfrage beim Hersteller wurde mir bestätigt, dass es sich hier um ein bekanntes Phänomen handelt, das mit zukünftigen Firmwareupdates beseitigt werden soll.

  • Bild uf der Oberseite der YI 360 VR gibt es ein Monochrom-OLED-Displey und zwei Pfeiltasten zur Bedienung. [Foto: Yi Technology]

    uf der Oberseite der YI 360 VR gibt es ein Monochrom-OLED-Displey und zwei Pfeiltasten zur Bedienung. [Foto: Yi Technology]

  • Bild Unter einer seitlichen Klappe sitzen bei der Yi 360 VR Kamera Akkufach, Speicherkartenfach und Anschlüsse. Der HDMI-Anschluss lieferte allerdings auf keinem Gerät, das wir ausprobiert haben, ein Bild.

    Unter einer seitlichen Klappe sitzen bei der Yi 360 VR Kamera Akkufach, Speicherkartenfach und Anschlüsse. Der HDMI-Anschluss lieferte allerdings auf keinem Gerät, das wir ausprobiert haben, ein Bild.

Im Gegensatz zum Wetter gab es an den Videos der Yi allerdings kaum etwas auszusetzen: Wie bei allen Panoramakameras, die mit nur zwei Objektiven arbeiten, lässt die Schärfe an den Randbereichen der beiden Optiken sichtbar nach – das sollte man nach Möglichkeit beim Ausrichten der Kamera berücksichtigen, und wichtige Motivteile direkt mit einem der beiden Objektive anvisieren. Im mittleren Bereich wirkten die Aufnahmen detailreich, und auch schnelle Bewegungen wurden recht flüssig wiedergegeben. Allerdings ist die Bildfrequenz bei Aufnahmen mit 4K oder höher auf 30/25 Bilder pro Sekunde begrenzt, wodurch schnelle Bewegungen ruckelig wiedergegeben werden. Mit 1280 x 2560 Bildpunkten sind auch 60/50 Bilder pro Sekunde möglich, bei 960 x 1920 sogar Zeitlupen mit 120/100 Bildern pro Sekunde. Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten der Yi. Zudem gibt es die Einstelloption Flat Color, mit der sich in der Postproduktion eine höhere Dynamik aus den Aufnahmen kitzeln lässt. Dank verschiedener Voreinstellungen für Innen-, Außen und Nachtaufnahmen, Einstellmöglichkeiten für ISO, Belichtungskorrektur und vier Weißabgleich-Presets lässt sich die Yi für praktisch alle Aufgabenstellungen passend vorbereiten. Wer sich nicht weiter mit diesen Feinheiten beschäftigen möchte, bekommt aber auch im Automatikmodus ansprechende Resultate.

Wer die Möglichkeiten ganz ausreizen möchte, wird natürlich die Einstellung mit 2880 x 5760 Bildpunkten wählen. Trotz der gewaltigen Datenmenge wurde das Kamerabild auch während der laufenden Aufnahme auf dem Smartphone angezeigt, so dass auch hier eine Qualitätskontrolle möglich ist. Soll das Video nach der Aufnahme zum Smartphone kopiert werden, wird dabei allerdings die Auflösung auf 4K reduziert. Wer die volle Auflösung nutzen will, kommt nicht um die Nachbearbeitung am PC herum. Die Anwendung YI360 Studio ist 126 MB groß und auf der Webseite von Yi frei verfügbar. Versuche, andere Programme zum stitchen des Materials zu nutzen sind gescheitert – nicht zuletzt, weil die Yi Videos anders als Modelle anderer Hersteller speichert: Die beiden kreisförmigen Videos sind in der unbearbeiteten Datei nicht nebeneinander, sondern übereinander angeordnet. Die Videos lassen sich entweder durch Anschließen der Kamera per USB-C an den Computer oder über einen Kartenleser zum Stitiching-Programm übertragen. Dieses ist praktisch selbsterklärend, es bietet aber auch nur wenige Optionen: Es lässt sich eine Zeitspanne aus dem Video auswählen, die zusammengesetzt werden soll, die Auflösung für die Ausgabe kann eingestellt werden (5760 x 2880, 5120 x 2560, 3840 x 1920, 2560 x 1280, 1920 x 960 ), bei der Qualität kann zwischen "Normal", "Better" und "Best" gewählt werden, und für den Stitchmode hat man die Wahl zwischen "Optical Flow" und "Normal". Eine Erklärung für die verschiedenen Optionen fehlt, so dass man hier selbst experimentieren muss – was recht mühsam werden kann, da das Stitchen selbst auf einem schnellen Computer ziemlich zeitaufwändig ist. Ein Clip mit 30 Sekunden Länge brauchte auf einem durchaus flotten Gaming-PC etwa eine Viertelstunde – es lohnt sich also, zunächst kürzere Sequenzen zu testen, bevor man ein längeres Video zusammensetzt. Und wie bereits gesagt: Die IMU-Dateien mit Bewegungsinformationen lassen sich im Programm nicht nutzen, eine Stabilisierung ist also hier nicht möglich.

  • Bild Im ungestitchten Zustand sitzen die beiden Halbbilder der Fotos und Videos untereinander und nicht (wie sonst üblich) nebeneinander. Die Fotos und Videos sind roh jeweils 2880 x 5760 Pixel groß.

    Im ungestitchten Zustand sitzen die beiden Halbbilder der Fotos und Videos untereinander und nicht (wie sonst üblich) nebeneinander. Die Fotos und Videos sind roh jeweils 2880 x 5760 Pixel groß.

Bereits zusammengesetzte Videos können mit der Software auch wiedergegeben werden, und es gibt auch einen Schnittmodus. Der macht den Eindruck, dass damit auch "Fahrten" innerhalb eines Videos editiert werden können. Ohne Anleitung ist es mir allerdings nicht gelungen, sinnvolle Resulate mit Hilfe von Keyframe-Animationen zu erzielen. Die einzige Hilfefunktion die ich finden konnte ist eine Schaltfläche mit einem Fragezeichen. Wird die angeklickt erscheint die Textmeldung "Edit function is through setting specific frame at a specific moment to work,it means add key frames". Diese Thematik ist aber leider etwas zu komplex, als dass sie sich ganz ohne Anleitung erschließen würde. Eine Anleitung wäre hier sehr hilfreich. Auf der Webseite von Yi gibt es auch ein Anwenderforum, in dem aber zum Testzeitpunkt auch keine relevanten Informationen zu finden waren. Wer sich die Zeit nimmt, das Programm intensiv auszuprobieren wird wohl Möglichkeiten finden, zum Beispiel einen bestimmten Kamerawinkel aus einem Panoramavideo auszuwählen und zu exportieren.

Die Kamera hat noch ein weiteres interessantes Feature: Laut Hersteller lassen sich damit nämlich Panoramavideos auch live streamen – zum Beispiel zu Youtube und Facebook. Als ich das ausprobieren wollte, habe ich wirklich gestaunt, wie gut Yi das umgesetzt hat. Über das an der Kamera angemeldete Smartphone werden die Zugangsdaten für ein bekanntes WLAN an die Yi 360 VR übermittelt, die Anmeldung bei dem gewünschten Portal erfolgt ebenfalls über die Freigabe im Smartphone. Das alles ist nicht komplett selbsterklärend, und bei Youtube sind auch innerhalb der Plattform und des eigenen Kanals ein paar Anpassungen nötig – dennoch ist es mir recht schnell gelungen, auf beiden Plattformen Panoramavideos live zu streamen. Allerdings mit der Einschränkung, dass dafür eine WLAN-Internetverbindung nötig ist – ohne die ist es mir jedenfalls nicht gelungen, live zu streamen. Diese Funktion schafft Möglichkeiten, die Konkurrenzprodukte bisher kaum bieten.

Beispielfoto

Das Beispielfoto von der belebten Kreuzung in Hamburg bei schönen Wetter, gesticht mit der Desktop-Software für Windows, zeigt die gute Bildqualität der Yi 360 VR. Anders als fast alle anderen Panorama-Kameras erreicht sie bei Fotos keine höhere Auflösung als im Video-Modus. [Foto: Rainer Claaßen]

Beispielvideo

Beispielvideo bei schönen Wetter mit der Yi 360 VR in höchster Auflösung gefilmt und ebenfalls verarbeitet mit der Desktop-Software für Windows, überzeugt ebenfalls hinsichtlich der Bildqualität der Yi 360 VR. Die Rendering-Zeiten sind zwar lang, aber die Übergänge sauber und das Video kann anschließend (manuell) direkt zu YouTube hochgeladen werden und wird dort als VR-Video erkannt. [Video: Rainer Claaßen]

Fazit

Rein optisch ist die Yi 360 VR nicht gerade ein Schmuckstück . Das Design kann man nicht einmal nüchtern nennen, die Abdecklasche über den Anschlüssen und dem Akku wirkt billig und auch das Display hat nicht den Hochglanzcharakter aktueller Smartphones. Aber: Die Kamera funktioniert ganz hervorragend und zuverlässig, liefert sehr anständige Qualität, mit der sie sich nicht hinter dem deutlich teureren Konkurrenten von GoPro verstecken muss. Und was das Handling anbelangt, hat die Yi 360 VR allen Konkurrenten einiges voraus. Ärgerlich nur, dass Videos in der bestmöglichen Qualität sich nur an einem sehr potenten Windows-PC bearbeiten lassen – und auch für deren reibungslose Wiedergabe reicht selbst ein gut ausgestatteter aktueller Computer nicht unbedingt aus. Wer die Videos professionell bearbeiten möchte, und zum Beispiel Bildausschnitte daraus verwenden will, wird das aber wohl gerne in Kauf nehmen. Wer diese Möglichkeiten nicht hat, nimmt halt mit der etwas geringeren Qualitätsstufe vorlieb – mit der die Yi immer noch mit der gesamten Konkurrenz mithalten kann.

Vorteile

  • sehr gute Foto und Video-Qualität
  • mobiler Workflow gewährleistet (mit niedriger Stitching-Qualität)
  • sehr gute Bildstabilisierung mit der Desktop-Software (für Windows)

Nachteile

  • sehr lange Rendering-Zeiten am Desktop (Hardware-abhängig)
  • etwas billig wirkendes Gehäuse
  • Desktop-Software nur für Windows erhältlich