Während ich diesen Test schreibe, ist die GoPro Fusion bereits wieder auf dem Weg zurück zu GoPro. Nicht das optimale Verfahren für einen Test, aber die Fusion-Testgeräte sind derzeit so rar, dass ich mit GoPro abgestimmt habe, dass wir so früh wie möglich einen schnellen First-Look-Test machen und die Kamera schnell zurück schicken und im neuen Jahr dann noch mal etwas länger ein Gerät bekommen und dann noch einmal ausführlicher damit arbeiten und weitere Aspekte untersuchen dürfen.
Das macht so auch definitiv Sinn, denn derzeit ist die Kamera (Firmware) noch wirklich jung und vor allem die Apps sind noch frühe Versionen. Die Bildstabilisierung beispielsweise ist derzeit generell noch als "Beta" deklariert und die intuitive Overcapture-Funktion auf Smartphones und Tablets kommt überhaupt erst Anfang 2018. Overcapture gibt es zwar jetzt schon in der Desktop App namens Fusion Studio, aber dort kannst du den Bildausschnitt im laufenden Video nicht verändern, sondern nur auf einen festen Ausschnitt einstellen. Mit dem Plugin für Adobe Premiere soll es schon funktionieren, den Bildausschnitt dynamisch zu verändern, aber die Verarbeitung der 360-Grad-Videos mit Premiere sind wieder ein ganz eigenes Thema, dass wir im Rahmen dieses First-Look-Tests nicht beleuchten.
Getestet haben wir die Kamera übrigens mit Firmware 1.51. Fusion Studio lag Anfang Dezember in der Version 1.0.3 vor. Die Kamera erreichte uns noch ohne Verpackung und mit nur einem Teil des serienmäßigen Lieferumfangs. Im Original-Zustand sind die hier im Foto gezeigten Sachen dabei. Ganz interessant und nützlich ist das Selfie-Stick-Stativ, das auch wirklich neu mit der Fusion auf den Markt kommt, aber grundsätzlich auch mit allen anderen GoPro-Kameras genauso gut funktioniert. Der Handgriff besteht aus drei Beinen, die auseinandergespreizt halbwegs guten Stand bieten, selbst wenn du den Selfie-Stick ausziehst. Solange kein Wind weht, kannst du das so benutzen, sonst lieber nicht bzw. nicht mit ausgezogenem Stick. Zusammengeklappt werden die drei Beine durch Magnete zusammengehalten. Insgesamt ist mir persönlich der Durchmesser des Griffs etwas Dick und das Material etwas weich. So bricht aber wenigstens nichts.
Extrem praktisch ist auf jeden Fall die mitgelieferte Schutzhülle. Diese besitzt auf der Innenseite eine weiche Oberfläche, um die vorstehenden Linsen zu schützen. Die Hülle lässt sich selbst dann aufsetzen und schließen, wenn die Fusion an dem Selfie-Stick-Stativ oder auf irgendeiner anderen Halterung montiert ist. Der Reißverschluss geht nicht ganz herum, sondern nur über etwas mehr als drei Seiten, sodass immer eine Aussparung für die Halterung und die Befestigungsschraube bleibt. Ein solcher Schutz für die Fusion ist wirklich sehr zu empfehlen, denn die beiden Objektive der Kamera stehen Prinzip-bedingt aus dem Gehäuse heraus und sind somit sehr gefährdet. GoPro hat sich (wie Ricoh bei den Theta-Kameras) dafür entschieden, die Kamera ohne zusätzliche Linsenschutzabdeckung zu konstruieren. Der Vorteil davon ist eine bessere Bildqualität, denn jede zusätzliche optische Fläche vor den Linsen verstärkt Reflexionen und reduziert den Kontrast. Der Nachteil, insbesondere bei einer Kamera, die ja robust und wasserdicht (bis 5 Meter) sein soll, ist aber, dass du einen vermutlich teuren Service-Fall erzeugst, wenn eine der Linsen beschädigt werden sollte. Selber wechseln kannst du die Objektive nämlich nicht.
Was wir (wie eigentlich immer bei GoPro) vermissen, ist zum einen eine Öse für einen Sicherungsgurt, zum anderen ein Stativgewinde. Das Konzept der GoPro-typischen Halterung und den Verzicht auf ein Stativgewinde mag bei normalen Actioncams noch aufgehen. Eine Kamera wie die Fusion wird aber vermutlich nicht in erster Linie an Klebehalterungen auf Surfbrettern oder Helmen montiert. Solche Kameras will man auch häufig auf Hochstativen und an diversen professionellen Halterungen befestigen. Und das läuft nun einmal über ein Stativgewinde. Natürlich kannst du in die Halterung der Fusion einen Stativgewindeadapter schrauben, so habe ich es auch gemacht. Aber das beste Gefühl hatte ich dabei nicht. Immerhin ist die Fusion deutlich schwerer und größer als eine Hero6 und kann somit viel größere Hebelwirkung auf den Stativadapter ausüben. Dass dabei das Metallgewinde aus dem Plastikadapter ausbricht und die 750-Euro-Fusion zu Boden oder ins Wasser stürzt, möchte ich nicht erleben. Für den Nachtest im neuen Jahr habe ich mir deshalb gleich schon mal einen Vollmetall-Adapter für 3,16 Euro in China bestellt. Es wäre aber meiner Meinung nach sinnvoll, wenn GoPro direkt an der Fusion ein stabiles Stativgewinde anbieten würde. Das wäre im Grunde auch kein Problem, denn die Finger-Halterung (übrigens sehr stabil aus Metall gefertigt) ist ihrerseits unten in die Fusion in einer Metallschiene eingeschoben und wird mit zwei Klemmhebeln fixiert. Anstelle der Fingerhalterung könnte man dort im Grunde theoretisch genauso gut eine stabiles Stativgewinde einsetzen, vielleicht gleich mit einem kleinen Stab dran, damit man noch etwas Abstand zwischen Kamera und Stativ gewinnt. Vielleicht werden wir so etwas noch von GoPro sehen, schließlich muss es ja einen Sinn haben, dass die Halterung austauschbar ist. Falls GoPro das nicht bringt, wird es sicherlich findige Tüftler in China geben, die sowas auf den Markt bringen.
Beispielfotos
"Schwebende Kamera": Nur wenn die Kamera exakt senkrecht auf dem Haltearm montiert ist, ist diese im Bild nicht sichtbar. Beide Fotos entstanden mit dem VR Large Carbon Fiber Extension Boom von Manfrotto. Eine Aufnahme vom zweiten Standort haben wir auf der nächsten Seite noch als YouTube-Video eingefügt.
Praxis-Tipp: Wenn der Selfie-Stick oder eine andere, längere Stange (ich habe den neuen VR Large Carbon Fiber Extension Boom von Manfrotto mit der GoPro Fusion ausprobiert) auf dem fertigen Video nicht sichtbar sein soll, ist es wichtig, dass die Kamera ganz gerade ausgerichtet ist. Das ist mit der Schwenkhalterung der Fusion gar nicht einfach und das ist ein weiterer Grund, warum ich kritisiere, dass die Fusion nicht einfach ein Stativgewinde hat. Sitzt die Kamera nur um wenige Grad schief auf der Stange, ragt diese zu weit ins Bild und wird von der Software nicht eliminiert. Gerade an der mitgelieferten Selfie-Stange ist man versucht die Kamera in eine senkrechte Position zu drehen, so wie man es von einer normalen Actioncam gewohnt ist. Das ist aber bei vollsphärischen Kameras das total falsche Konzept. Es führt dazu, dass die Stange äußerst markant im Video zu sehen ist. Das einzig Wahre ist tatsächlich die exakt senkrechte Montage auf der Stange. Nur dann verschwindet diese im fertigen Video und du bekommst den Eindruck, die Kamera würde schweben.
Die GoPro Fusion hat zwei "Augen", eines vorne und eines hinten. Beide decken jeweils etwas mehr als einen Halbkreis ab, sodass ein Überlappungsbereich entsteht, indem die beiden Aufnahmen irgendwie zusammengefügt werden müssen. Das macht die Fusion aber nicht intern, nicht einmal bei Fotos, sondern grundsätzlich extern. GoPro ist bei der Fusion so konsequent, die Aufnahmen der beiden Kameras sogar auf getrennten Speicherkarten aufzuzeichnen. Dazu hat die Fusion im Akku-Fach zwei Speicherkartensteckplätze. Dadurch umgeht GoPro Engpässe bei der Speicherung, denn dadurch steht quasi die doppelte Datenübertragungsbandbreite zur Verfügung. Sicherheitshalber war unser Testgerät mit 1000x-Hochleistungs-MicroSD-Karten von Lexar bestückt. Dabei ist die aufgezeichnete Datenmenge pro Karte eigentlich gar nicht mal so hoch. Erst zusammen wird es viel. Eine Minute Video hat etwa 340 MB, pro Kamera versteht sich. Dabei hast du die Wahl zwischen 5,2K mit 30 fps oder 3K mit 60 fps. Die Datenrate beträgt jeweils rund 45 Mbit/s. Die Videos sind MP4 mit H.264-Kompression. Die angegebenen Auflösungen beziehen sich auf das spätere Endformat. Effektiv sind die beiden einzelnen 30fps-Videos jeweils 2704 x 2624 Pixel groß, die 60fps-Videos haben 1568 x 1504 Pixel. Dazu kommt eine separate WAW mit dem 3-Mikrofon-Raumklang, die auf der Speicherkarte der rückwärtigen Kamera abgespeichert wird. Da diese Dateien ebenfalls nicht ganz klein sind (61 Mbit/s, etwa 50 MB pro Minute), läuft die Speicherkarte der rückseitigen Kamera schneller voll als die der Front-Kamera. In dem Video der Rückseiten-Kamera steckt auch noch der normale Stereo-Ton, was die Dateien allerdings praktisch nicht größer macht. Fotos haben noch ein wenig mehr Pixel: 3104 x 3000 Pixel zeichnet jede Kamera auf.
Interessant dabei ist, dass die aufgezeichneten Fotos und Videos nicht quadratisch sind wie sonst bei Panoramakameras üblich (oder sie haben sonst die doppelte Breite zur Höhe, wenn sie side by side in einer Datei gespeichert werden). GoPro beschneidet die Bilder oben und unten etwas, d. h. dort zeichnet die Kamera weniger "Reservebildkreis" mit auf als Links und Rechts. Dort allerdings finden sich, das muss man ehrlicherweise sagen, dort auch keine verwertbaren Bildinformationen mehr. Ein Beschnitt auf 3000x3000, 2624x2624 bzw. 1504x1504 bei der Aufzeichnung wäre meiner Meinung nach überhaupt kein Nachteil. Die Überlappung der Aufnahmen der vorderen und hinteren Kamera ist relativ gering, etwa 190 Grad Bildwinkel zeichnet jede der beiden Kameras auf. Das reicht zum späteren Zusammenfügen in der App.
Durch die 2-Speicherkarten-Technik ist das Auslesen der Bilddaten übrigens etwas nervig. Grundsätzlich einfach ist es zwar, wenn du die Kamera per USB an den Rechner anschließt. Allerdings ist die USB-Schnittstelle sehr langsam, sodass die Datenübertragung in den Rechner sehr lange dauert. Viel schneller geht es per externem USB3-Kartenleser, aber dazu musst du beide Karten nacheinander aus der Kamera entnehmen (was etwas fummelig ist) und die darauf gespeicherten Daten in einer bestimmten Struktur auf der Festplatte ablegen, denn die GoPro Fusion Studio Software erwartet die Dateien nach ganz bestimmten Verzeichnissen getrennt für die beiden Speicherkarten. Wenn du die Struktur aber einmal angelegt hast und neue Videos immer dort hineinkopierst, ist das kein Problem.
Die GoPro Fusion bedient sich dem ersten Anschein nach wie eine GoPro Hero. Die bewährte Sprachsteuerung ist wieder mit an Bord und das Status-Display wird dir ebenfalls bekannt vorkommen. Dieses ist sogar beleuchtet. Wenn dich das stört, kannst du die Beleuchtung stark dimmen (dann allerdings gleich auf 10 %). Die Kamera selbst hat nur den Ein/Aus-Taster, mit dem die Betriebsart umgeschaltet wird (Foto/Zeitraffer/Video) und den Auslöser. Die Bedienung direkt an der Kamera bietet sich bei einer 360-Grad-Kamera aber eher nicht an. Die Sprachsteuerung ist da praktischer und natürlich die Bedienung mit der App. Interessanterweise hat GoPro die gesamten Zusatzfunktionen, die die Fusion braucht, mit in die normale GoPro App gepackt, die bislang nur für die normalen Actioncams war. Die Verbindung mit der Fusion per WLAN und Bluetooth klappt genauso gut wie mit einer Hero5 oder Hero6. Über die App kannst du alles wie gewohnt steuern. Nur in der Vorschau und bei der Wiedergabe siehst du halt vollsphärische Fotos und Videos und kannst dich darin bewegen und die Fotos und Videos sogar direkt teilen. Dabei wird aber quasi "quick and dirty" nur die Vorschau-Qualität geteilt, nicht die Qualität, die du beim Zusammenfügen am Windows-PC oder Mac mit der Fusion Studio Software erreichen kannst.
Nun aber zum Wesentlichen: der Bildqualität. Die liegt erwartungsgemäß oberhalb vergleichbarer Kameras, wie beispielsweise der Ricoh Theta V oder der Nikon KeyMission 360. Immerhin kostet die GoPro Fusion rund die Hälfte mehr und ist auch deutlich größer, vor allem im Vergleich zur winzigen Theta. Aber im Vergleich muss man sagen, dass sie den Mehrpreis definitiv Wert ist und den Aufpreis mindestens 1:1 in mehr Bildqualität umsetzt. Bei den Fotos ergibt sich im Vergleich zur Ricoh Theta V gar nicht mal so ein großer Unterschied. Die Fotos der Theta V sind halt auch ziemlich gut, das muss man sagen. Im Vergleich zur Nikon KeyMission 360 sind die Fotos der Fusion deutlich detailreicher. Die KeyMission erzeugt zwar nominal deutlich größere Bilder (30 Megapixel) im Vergleich zur Fusion (16,5 Megapixel). Effektiv steckt aber bei der Nikon nicht mehr drin, die Fotos der KeyMission 360 wirken unscharf, wie hochinterpoliert, die der GoPro Fusion (und der Ricoh Theta V) sind hingegen scharf.